Züge lärmen zwischen Lahnstein und Kaub

Rhein Zeitung, 22.04.2014

Belastung: Der Güterverkehr der Bahn ist Wahlkampfthema – Grüne und SPD setzen auf Flüsterbremse und Trassenpreise

Auf der Bahnstrecke zwischen Lahnstein und Kaub lassen laute ratternde Güterzüge normalerweise nicht lange auf sich warten. Doch an diesem Abend im Bahnhof St. Goarshausen ist das anders. An Gleis 1 steht ein Mann im dunkelblauen Sakko. Aufmerksam blickt er auf die Schienen, wartet auf den nächsten Güterzug, der durch den Bahnhof rauscht. Doch es kommt keiner. Die Strecke war am Gründonnerstag vorübergehend gesperrt – der Vorführeffekt. Michael Cramer heißt der Mann im blauen Sakko,  er ist verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament.

Die Kommunalwahl- und Europawahlen stehen vor der Tür, und das Thema Bahnlärm haben sich die Parteienwieder groß auf die Fahne geschrieben. So hat der grüne Kreisverband Rhein-Lahn Cramer zu einer „Langen Nacht des Bahnlärms“ eingeladen, um mit ihm und Willi Pusch(Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn e.V.) über Lösungsansätze für ein leiseres Mittelrheintal zu diskutieren.

Bei dieser Gelegenheit will der EU-Parlamentarier herausfinden wie laut die Güterzüge in St. Goarshausen tatsächlich sind. Und endlich: Er rattert und rauscht, der nächste Zug fährt durch den Bahnhof. Cramer schaut auf das kleine Messgerät in seiner Hand: 113 Dezibel zeigt es an.

„Ab 60 bis 70 Dezibel ist der Lärm gesundheitsschädlich, ab 80 bis 90 sehr schädlich“, erläuterte Cramer bei seinem anschließenden Vortrag und beruft sich auf Zahlen der Weltgesundheitsorganisation. Für den Grünen-Politiker muss eine europäische Lösung für den Bahnlärm her, denn 50 Prozent des Schienengüterverkehrs finden grenzüberschreitend statt“, sagte Cramer. Einen ersten Erfolg gebe es in diesem Jahr bereits zu vermelden. Bis 2020 stellt die EU 260 Millionen Euro zur Verfügung, um laute Güterwaggons mit leiseren Bremsen auszustatten. Für die Nachrüstung mit solchen Flüsterbremsen ist ein EU-Zuschuss von bis zu 20 Prozent möglich. „Die Bahn und die Bundesrepublik müssen ein Konzept entwickeln und diese Gelder abrufen“, betonte Michael Cramer.

Einen weiteren Baustein, um den Bahnlärm im Rheintal zu reduzieren, sieht Cramer unter anderem in den bereits eingeführten lärmabhängigen Trassenpreisen. Seit vergangenem Jahr müssen Verkehrsunternehmen für die Nutzung des Schienennetzes mehr bezahlen, wenn ihre Güterwagen nicht größtenteils über die neue, leisere Bremstechnik verfügen. Doch dieser Zuschlag ist Cramer noch nicht hoch genug. „Für die lauten Züge müsste jetzt viel mehr bezahlt werden, damit der Anreiz zum Umrüsten groß ist.“

Willi Pusch nannte zudem weitere technische Möglichkeiten, um Lärm und Erschütterungen durch die Güterzüge einzudämmen, wie etwa Betonschwellen mit Gummisohlen, Niedrigschallschutzwände oder eine feste Fahrbahn mit Betonfundament statt Schotter. „Eine Maßnahme für sich allein bringt nicht viel, wir brauchen ein Maßnahmenpaket“, betonte Willi Pusch. Langfristiges Ziel müsse jedoch eine neue Güterverkehrsstrecke sein. „Eine Alternativstrecke wäre natürlich die größte Entlastung“ räumt auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Detlev Pilger ein. Auf Einladung der SPD Lahnstein besuchte er kürzlich die St. Martinsiedlung Oberlahnstein, um sich dort ein Bild von der Bahnlärmbelastung zu machen. Für den Bundesverkehrswegeplan 2015 hat die Landesregierung bereits eine alternativstrecke angemeldet.

Doch bis zu deren Realisierung „kann so eine Region schon vollkommen ausgehöhlt sein“, betonte Pilger, der im Bundestag dem Umweltausschuss angehört und sich dort mit dem Thema Schienenlärm befasst. Leisere Bremsen und höhere Trassenpreise für laute Züge sind auch für Pilger wesentliche Mittel zur Lärmbekämpfung.

Ein erster Schritt ist getan: Bis 2016 soll die Hälfte der Güterwaggons der Deutschen Bahn über leisere Bremsen verfügen. Im Jahr 2020 sollen schließlich alle alten Bremsen ausgetauscht sein. Dann müssen allerdings noch die private Wagenhalter nachziehen. „Das ist das Unmittelbare, was den Leuten jetzt hilft“, betont Pilger.

Große Demonstration in Rüdesheim

Am 10. Mai findet ab 13.30 Uhr eine große Anti-Bahnlärm-Demonstration in Rüdesheim statt. Betroffene Anwohner aus den Gemeinden und Städten zwischen Wiesbaden und Bonn wollen die Verantwortlichen bei der Bahn, in der Bundesregierung sowie in der EU auf die „unerträgliche, gesundheitsschädliche Lärmsituation“ entlang der Gleise im Rheintal aufmerksam machen.

Organisiert wird der Protest von Vertretern der Bürgerinitiativen des Mittelrheins, aus Weißenthurm, Bad Hönningen, Neuwied, Rheingau sowie Wiesbaden mit Unterstützung der Landkreise entlang des Rheins.

 

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