Urteilsbegründung zur BVerwG-Entscheidung 7 A 28.12 zum Bahnausbau Oldenburg veröffentlicht

Das BVerwG hat die Urteilsbegründung für die PFA2 und 3 der "ABS Oldenburg - Wilhelmshaven: Ausbaustufe III" veröffentlicht. Die Entscheidung erging bereits am 21.11.2013.

Wesentliche Feststellungen des Gerichts:

1. Die Kläger in den (nachfolgenden) Planschnitten, in denen der Plan nicht ausgelegt wurde, sind nicht präkludiert. Denn die Präklusion beschränkt sich (nur) auf diejenigen Betroffenen, die in dem von der Anhörungsbehörde gewählten Ausgelegungsbereich wohnen. Das EBA müßte nun künftig den Plan eines PFA auch in allen nachfolgenden Planabschnitten auslegen, sofern das Vorhaben auch "mittelbare Fernwirkungen entfalten kann" (UA Rn. 21).

"Ausnahmen vom Grundsatz der abschnittsbezogenen Auslegung sind demnach dann zu machen, wenn die Konfliktbewältigung NICHT in die Entscheidung über den nachfolgenden Abschnitt verschoben werden kann." (UA Rn. 26) "Das kann zum einen dann der Fall sein, wenn das Gesamtvorhaben mit dem nunmehr geplanten Abschnitt endet und es an einer daran anschließenden Planung überhaupt fehlt. Zum anderen kann ungeachtet einer vorgesehenen Anschlussplanung der Verweis auf die dann anstehende Möglichkeit der Konfliktbewältigung wegen der zeitlichen Verhältnisse unzureichend sein."

2. Nach Auffassung des BVerwG hat sich jedoch dieser Verfahrensfehler (einer ungenügenden Auslegung des Plans in den Nachfolgeabschnitten) in Oldenburg nicht entscheidend auf das Ergebnis ausgewirkt; vielmehr lassen sich die Mängel im Wege der Planergänzung beheben. Die Abschnittsbildung als solche war jedenfalls nicht zu beanstanden. Fehler in der auf die Bewältigung der Lärmsituation bezogenen Abwägung sind nicht geeignet, die Ausgewogenheit der Gesamtplanung in Frage zu stellen

3. Die Hilfanträge haben teilweise Erfolg.

3.1 Das BVerwG sieht alle Anlieger der gesamten Ausbaustrecke als "planungsrechtliche Schicksalsgemeinschaft" und verlangt, dass über die Gewährung eines auf die Übergangszeit bezogenen (interimistischen) Lärmschutzes unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden ist.

Das BVerwG erkennt selbst, dass es mit dieser Anordnung von Schutzvorkehrungen für Anlieger AUSSERHALB des PFA juristisches Neuland betritt, denn "der unmittelbare Anwendungsbereich der 16. BImSchV ist hier ... nicht eröffnet." Daher bemüht sich das BVerwG verkrampft, eine rechtliche Grundlage für seine Entscheidung zu finden (UA Rn. 50-54). Es versteigt sich sogar zu der Feststellung, dass in den Abschnitten ausserhalb des PFA  "Baumaßnahmen an der Strecke, insbesondere temporäre Lärmschutzwände, ... jedoch in aller Regel ausscheiden [dürften]" (UA Rn. 55). Eine Begründung dafür bleibt das BVerwG aber schuldig: eine "Interimszeit" könnte - z.B. wegen geänderter Planungskonzepte - nicht nur wenige Jahre, sondern  Jahrzehnte oder gar ewig dauern...siehe z.B. auch die Verfahren am Oberrhein, die sich auch schon Jahre/Jahrzehnte hinziehen.

Ein echter Fortschritt ist dagegen die Feststellung des BVerwG, dass betriebsregelnde Maßnahmen im PFB festgeschrieben werden könnten (UA Rn. 55). Zwar will sich das BVerwG nicht äußern, ob solche Beschränkungen auch dauerhaft und nicht nur während der "Interimszeit" statthaft sind. Aber das BVerwG beendet so zumindest die Diskussion, ob betriebsregelnde Maßnahmen  in PFB  (formal) überhaupt zulässig sind (UA Rn. 55-56). Insbesondere betont das BVerwG, dass auch EU-Recht solchen betriebsbeschränkenden Maßnahmen nicht entgegen steht.

3.2 Hinsichtlich der  Dimensionierung des passiven Lärmschutzes bei den Anliegern der Nachfolgeabschnitte meint das BVerwG, dass die Bemessung nicht nach der 24. BImSchV zu erfolgen habe, weil dies "überschießend" wäre.  "Im Grundsatz reicht es demgegenüber aus, die Schalldämmung der Räume jeweils so zu erhöhen, dass der Wert, um den der maßgebliche Beurteilungspegel die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet, kompensiert wird."  Gleichzeitig "ist es angezeigt zur Vermeidung einer reinen Übergangslösung, die für die Beigeladene mit nach Ablauf dieser Zeit nutzlosen finanziellen Aufwendungen und für die Betroffenen mit wiederholten Unannehmlichkeiten durch Umbaumaßnahmen verbunden sein kann, bereits dieses zukünftige Lärmschutzkonzept - zumindest in seinen großen Zügen - in die Überlegungen mit einzubeziehen."

Fazit: Anstatt den Mut zu besitzen, das verkorkste Schutzkonzept der 16. BImschV vollständig über den Haufen zu werfen, ist das BVerwG erfindungsreich, um die durch Oldenburg und andere Fälle mit abschnittsweiser Planfeststellung (z.B. wie den sich schon über Jahre(Jahrzehnte?) hinziehenden Ausbaumaßnahmen am Oberrhein oder demnächst dem Brennerzulauf München-Rosenheim-Kufstein) aufgeworfenen Probleme des Anliegerschutzes einigermaßen gerecht zu werden. Die "Bauchschmerzen", die dieses Richterrecht erzeugt, müssten vom Bundesverordnungsgeber durch eine grundlegende Novellierung der 16. BImschV und der darin normierten Schutzkonzepte aufgegriffen werden, und zwar möglichst bald.

 

 

 

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