Bundesverwaltungsgericht stärkt Anspruch auf Nachtruhe

Oldenburg darf ruhig schlafen

Eisenbahn – Bundesamt muss bei der Gewährung von Lärmschutz der Nachtruhe besondere Bedeutung zumessen

 

Das BVerwG hat am 21. November 2013 entschieden, dass bei einem abschnittsweisen Ausbau einer Bahnstrecke die Lärmschutzbelange der Anwohner in Folgeabschnitten so zu berücksichtigen sind, dass diese nicht infolge von Verzögerungen beim weiteren Ausbau in der Zwischenzeit in unbilliger Weise einer hohen Lärmbelastung ausgesetzt sind. Dabei ist der Nachtruhe besondere Bedeutung zuzumessen.

1. Der Fall

Die Kläger sind Eigentümer von Wohnhäusern, die im Stadtgebiet von Oldenburg an der Eisenbahnstrecke Oldenburg-Wilhelmshaven liegen. Sie wenden sich gegen die Planfeststellung für den zweigleisigen Ausbau von zwei nördlich von Oldenburg gelegenen Teilstrecken der Eisenbahnstrecke Oldenburg-Wilhelmshaven. Diese Eisenbahnstrecke soll in mehreren Abschnitten ertüchtigt werden, um eine leistungsfähige Hinterlandanbindung des mittlerweile in Betrieb genommenen Tiefseehafens "Jade Weser Port" sicherzustellen. Die Kläger befürchten insbesondere aufgrund der Wiederherstellung der durchgängigen Zweigleisigkeit der Strecke eine unzumutbare Zunahme des Schienenlärms auch entlang der Bahnstrecke im Stadtgebiet von Oldenburg.

2. Die Gerichtsentscheidung

a. Alternativenprüfung

Die in erster Linie erstrebte Aufhebung oder Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der angefochtenen Planfeststellungsbeschlüsse haben die Kläger vor dem BVerwG nicht erreicht. Denn nach Auffassung des BVerwG durfte das Eisenbahn-Bundesamt Alternativtrassen, die sich schon in den Planabschnitten von Varel bis Rastede völlig von der Bestandsstrecke lösen und im Ergebnis auch Oldenburg weiträumig umfahren, schon aufgrund einer Grobanalyse ablehnen. Die Bewertung einer Güterumfahrung der Stadt Oldenburg entlang der Autobahn A 29 habe im Klageverfahren keine Rolle gespielt, da mit den angefochtenen Planungen keine Vorfestlegung in dieser Hinsicht verbunden sei.

 b. Lärmschutz

Die Kläger könnten jedoch verlangen, dass das Eisenbahn- Bundesamt nochmals über die Gewährung von Lärmschutz für den Übergangszeitraum bis zur Realisierung des Streckenausbaus im Abschnitt Oldenburg entscheide. Dabei müsse insbesondere die Bedeutung der Nachtruhe berücksichtigt werden.

Urteil des BVerwG vom 21.11.2013,  Aktenzeichen: 7 A 28.12 

3. Wirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stärkt das Gewicht der Nachtruhe in den Planungsentscheidungen, die das Eisenbahn – Bundesamt zum Lärmschutz für die Anlieger von Bahnstrecken zu treffen hat.

Damit übernimmt das Bundesverwaltungsgericht durch seinen 7. Senat Gedanken aus der Rechtsprechung des 4. Senates zum Schutz gegen Fluglärm, dessen Gewicht insbesondere in den Nachtstunden in einschlägigen Urteilen immer wieder hervorgehoben wurde. Allerdings verpflichtet der Gesetzgeber im Luftverkehrsrecht die Planungsbehörden auch zu solch einer besonderen Gewichtung des Schutzes der Nachtruhe, die leider im Eisenbahnrecht noch fehlt. Hier wäre eine Ergänzung des Allgemeinen Eisenbahn Gesetzes um die Formulierung geboten: »Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in allen Entscheidungen des Eisenbahn – Bundesamtes in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen.«

Besonderes Augenmerk widmet die Entscheidung den Anwohnern, die von einem abschnittsweisen Ausbau Lärmbetroffenen einer Bahnstrecke betroffen sind. Ihr Schutz wurde gestärkt. Sie können einklagen, dass sie gegenüber einer Kapazitätserhöhung durch die vorangegangenen Bauabschnitte in ihrer Nachtruhe nicht unbillig und gestört werden dürfen.

Rechtsanwalt Matthias Möller-Meinecke, Fachanwalt für Verwaltungsrecht (Frankfurt am Main)

 

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