Die Menschen im Rheintal halten den Bahnlärm nicht mehr aus.

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Mittelrhein – Die Menschen im Rheintal halten den Bahnlärm nicht mehr aus. Für sie gilt die Schweiz derzeit als Weltmeister im Kampf gegen die Dezibel, wie bei einer binationalen Konferenz in Lahnstein deutlich wurde. Langfristig wird eine Alternativtrasse für den Güterverkehr gefordert.                                                                                     

Von unserem Redakteur Andreas Jöckel

Gäbe es einen Weltmeistertitel im Kampf gegen den Bahnlärm, stünde für die geplagten Anwohner am Mittelrhein der Sieger schon fest: die Schweiz. Den Pokal hätten mehrere Hundert Besucher des binationalen Bahnlärmkongresses in der Stadthalle Lahnstein wahrscheinlich an Botschafter Tim Guldimann und Rudolf Sperlich vom schweizerischen Bundesamt für Verkehr übergeben. Denn das Nachbarland im Süden gilt mit seinem Verbot für alle Güterwaggons ohne Flüsterbremsen ab 2020 als Vorreiter im Kampf gegen die Dezibel. Zwar soll langfristig eine Alternativtrasse für den Güterverkehr geplant werden, aber die Geduld der Menschen im Rheintal ist am Ende.

"Schneller leiser" war deshalb auch der Arbeitstitel des Kongresses, bei dem das Podium mit Vertretern aus Politik, Fachleuten und Bürgerinitiativen hochkarätig besetzt war. Die Vertreter aus der Schweiz erhielten für ihre Beiträge kräftigen Applaus. Mehr als 1 Milliarde Franken haben die Eidgenossen laut Rudolf Sperlich in den vergangenen zehn Jahren in den Lärmschutz investiert - pro Kopf etwa zehnmal mal mehr als Deutschland. Damit nicht genug: Weil die Ziele noch nicht erreicht wurden, sollen die Mittel noch einmal aufgestockt werden. Dass die Schweiz Waggons ohne Flüsterbremsen ab 2020 ohne Ausnahme verbietet, ist für Tim Guldimann eine Selbstverständlichkeit: "Darf man Unternehmen erlauben, gesundheitsschädlich zu produzieren?", fragt der Botschafter rhetorisch und stellt fest: "Ohne Verbot geht es nicht!" Das zeige sich auch daran, dass die EU erst nach dem Verbot der für den Güterverkehr unumgänglichen Schweiz bemüht sei, ebenfalls entsprechende Standards voranzubringen.

Dennoch kann nicht geleugnet werden, dass der Schweiz auch "zu verdanken" ist, dass der Güterverkehr auf den Schienen nach Öffnung des St.-Gotthard-Basistunnels zum Jahreswechsel 2016/2017 um rund 30 Prozent zunehmen wird. Den größten Marktanteil am Schienentransport hat in Deutschland allerdings mit rund 67 Prozent die DB Schenker Rail AG, auf der Rheinstrecke dürften es etwa 60 Prozent sein. Deren Vorstandsvorsitzender, Michael Anslinger, sieht sein Unternehmen allerdings durchaus ebenfalls als Vorreiter in Sachen Lärmschutz. Etwa 230 Millionen Euro investiere DB Schenker in moderne, leisere Technik. Trotz eines entsprechenden Gewinnrückgangs sei die Notwendigkeit unumstritten, aber: "Wir sind an der Grenze des wirtschaftlich Machbaren."

 

 

Jens Klocksin vom Bundesverkehrsministerium gibt sich zuversichtlich: Derzeit gebe es in Deutschland rund 165.000 Güterwaggons, von denen derzeit nur etwa 17.000 mit leiseren Bremsen ausgestattet seien. Bereits jetzt seien aber fast 80.000 zur Umrüstung angemeldet worden. Davon stelle zwar DB Schenker mit knapp 70.000 den Löwenanteil. Aber weitere 10.000 Anmeldungen von anderen Wagenhaltern zeigten, dass der Widerstand gegen die Investitionen bröckele und auch die deutschen Regelungen wie lärmabhängige Trassenpreise oder Boni für Lärmschutz mittelfristig greifen werden: "Ich bin vom Erfolg bis 2020 überzeugt", sagt Klocksin.

Was Politik und Unternehmen als Erfolgsmeldungen verkünden, reicht den Menschen im Mittelrheintal nicht aus. Der Vorsitzende der BI gegen Bahnlärm, Willi Pusch, macht deutlich, dass die Strecke im engen, felsigen Tal, die zum Teil mit nur bis zu drei Meter Abstand an Wohnhäusern vorbei führt, den Verkehrsanforderungen des 21. Jahrhunderts trotz moderner Technik nicht gerecht werden kann. Das Fazit der Bürgerinitiativen von Bingen bis Bonn: So sehr gegen jedes Dezibel gekämpft wird, der Güterverkehr muss aus dem engen Rheintal raus! Genau dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, ist nach Meinung des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz eine wichtige Aufgabe einer Veranstaltung wie dem Bahnlärmkongress. Ziel der Landesregierung sei, dass eine Alternativtrasse in den Bundesverkehrswegeplan ab 2015 aufgenommen wird.

Vielleicht kann die nächste Generation den Titel des Lärmschutz-Weltmeisters dann zurückholen.

Quelle: rhein-zeitung.de 16.06.2014, 16:16 Uhr |

 

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