Das BVerwG hat in seiner am 24. April 2016 in der Sache BVerwG 4 A 2.15 (FH Leipzig/Halle) verkündeten Entscheidung einige auch für Bahnanlieger wichtige Aussagen getroffen.

Der Kläger begehrte, dass der (rechtskräftige) PFB und dessen Nachtflugregelungen widerrufen würde, weil die den Nachtflugregelungen des PFB zugrunde gelegten Einschätzungen über die Gesundheitsschädlichkeit des Fluglärms überholt seien und der PFB - sofern diese Erkenntnisse bereits bei Erlaß des PFB vorhanden gewesen wären - so hätte nicht ergehen dürfen.

Zwar kann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Vorschrift gilt auch für Planfeststellungsbeschlüsse.

Nach Auffassung des BVerwG kommt aber ein Widerruf eines PFB solange nicht in Betracht, wie die Auswirkungen des Vorhabens durch nachträgliche Schutzvorkehrungen minimiert werden können (Vorrang von nachträglichen Schutzvorkehrungen vor Widerruf des PFB).

Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kann ein Betroffener Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche nachteilige Wirkungen ausschließen, wenn nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf sein Recht erst nach Unanfechtbarkeit des Plans auftreten. Nicht voraussehbar in diesem Sinn sind auch Auswirkungen, deren Schädlichkeit oder Gefährlichkeit sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und des technischen Fortschritts erst nachträglich herausstellt (dazu auch BVerwG, B. v. 21. Januar 2004 - 4 B 82.03 - NVwZ 2004, 618).

Ob der Kläger einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat, war nicht Gegenstand der Klage, weil das BVerwG in dieser Frage erstinstanzlich nicht zuständig war.

Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Auch die geänderte Bewertung von Sachverhalten kann eine Änderung von Tatsachen im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG sein. Eine Einzelmeinung, die sich in der wissenschaftlichen Diskussion bisher nicht durchgesetzt hat, ist dagegen grundsätzlich keine neue Tatsache, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen kann.

Im vorliegenden Fall konnte das BVerwG in den vom Kläger vorgelegten Nachweisen keine solche neuen Erkenntnisse erkennen.

Auch die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG konnte das BVerwG bei der Fluglärmbelastung des Klägers (nächtliche Lärmbelastung mit einem Dauerschallpegel Leq(3) = 51,2 dB(A), 20,3 Lärmereignissen mit LAmax >68 dB(A) und 1,2 Lärmereignissen mit LAmax >75 dB(A)) nicht erkennen, da hier das "beeinträchtigte Recht nicht einen Rang aufweist, der es zum Gemeinwohlbelang erhebt, und dessen Verletzung muss so gravierend sein, dass sie auch und gerade im Interesse der Allgemeinheit nicht hingenommen oder aufrechterhalten bleiben kann."

siehe auch

Verordnung zur Änderung der Sechzehnten Verordnung zgrDurchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrsiärmschutzverordnung-16. BlmSchV)
Verkehrsausschuss (Vk) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Bundesrat Drucksache 319/1/14, 09.09.14

siehe auch:
Auflistung von Studien
der Bürgerinitiative BIN gegen Bahnlärm

 

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