Leisere Güterzüge schaffen Platz für noch mehr Güterzüge

20.07.09

Die EU will die Wettbewerbsfähigkeit des Güterschienenverkehrs stärken. Damit mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene kommt, beschlossen die Verkehrsminister der 27 EU-Staaten am 11.06.2009 in Luxemburg, neun grenzüberschreitende Trassen für Güterzüge einzurichten  Auf bestimmten Strecken sollen Güterzüge Vorfahrt vor Personenzügen haben. Deutschland ist als Transitland besonders betroffen. Drei der Korridore laufen durch Deutschland. Es geht dabei um folgende Strecken: 

Rotterdam – Duisburg - Genua,
Stockholm – Hamburg - Palermo
Rotterdam - Bremerhafen - Berlin

Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr lautet:

der Schienengüterverkehrsmarkt, der etwa zur Hälfte aus grenzüberschreitenden Diensten besteht,  kann sich nur dann „richtig“ entwickeln, wenn der Güterverkehr gegenüber dem Personenverkehr vorrangig behandelt wird,

sowohl in bezug auf Investitionen als auch auf das Kapazitäts- und Verkehrsmanagement. Der Vorschlag sieht für jeden der neun Güterverkehrskorridore regelmäßige Marktanalysen und Kundenbefragungen vor um sicherzustellen, dass den Bedürfnissen der Kunden entsprochen wird und die Bestimmungen des Verordnungsvorschlags eingehalten werden. Um die Bedürfnisse der Anlieger entlang der Korridore geht es dabei nicht.


Die großen Klippen beim Bau des Gotthardtunnels der Neuen Eisenbahn- Alpentransversale (Neat) schienen überwunden. Doch nun gibt es unerwartete Probleme auf deutscher Seite. An der sogenannten Rheintalachse verzögert sich der Ausbau des Nordanschlusses zur Neat zwischen Basel und Karlsruhe, weil sich Anwohner mit Einsprüchen auf mehreren Abschnitten gegen den künftigen Bahnlärm wehren. Mit den geplanten Maßnahmen nimmt der Schienenlärm für die betroffenen Anlieger zwangsläufig erheblich zu. In Sorge hat sich deshalb der schweizerische Verkehrsminister an seinen deutschen Kollegen gewandt. Er möge sich doch – bitte schön - dafür einsetzen, dass der weitere Ausbau zügig vorangetrieben wird, um die angestrebte Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene nicht unnötig zu gefährden. Bereits 1996 hatte Deutschland sich in einer bilateralen Vereinbarung mit der Schweiz verpflichtet, die Zubringer zur Neat bis zur Eröffnung des Gotthardtunnels Ende 2017 schrittweise auf vier Spuren auszubauen.

Bisherige Lärmsanierungsmaßnahmen haben die Lärmbelastung im Rheintal kaum reduzieren können. Durch wenig vorausschauende Planfeststellungs- bzw. Genehmigungsverfahren mit zu „sparsamen“ Lärmsanierungen werden „sanierte“ Streckenabschnitte nach der Zunahme des Bahngüterverkehrs schon wieder zum Sanierungsfall. In manchen Bereichen müssen Betroffene nach der „Lärmsanierung“ weiterhin zu hohe Belastungen nachts hinnehmen, obwohl die Sanierungsschwelle angeblich nur „geringfügig“ überschritten wurde.

Nach Angaben der DB AG sind bundesweit ca. 3.500 Streckenkilometer mit nächtlichen Dauerschallpegeln von deutlich mehr als 60 dB(A)  belastet. Ohne den umstrittenen Schienenbonus in Höhe von 5 dB(A) wären nach den Vorgaben des Bundesverkehrsministers annähernd doppelt so viele Streckenkilometer zu sanieren.

Dass derartig hohe Lärmbelastungen die Gesundheit der Bevölkerung gefährden, ist durch die Lärmwirkungsforschung zweifelsfrei belegt und auch durch höchst-richterliche Rechtssprechung anerkannt.

Nach wie vor haben die Betroffenen keinen Anspruch auf Lärmsanierung. Es ist leider so: Immer noch nach Gutsherrenart stellt der Bund seine Mittel für die Lärmsanierung zur Verfügung.

Ein angeblicher Beschluss des Bahnvorstandes, die Mitarbeit zur Umsetzung des Lärmsanierungsprogramms „qualifiziert“ abzubrechen, wenn ihr der Bund keine höhere Aufwandsentschädigung  von mindestens 18% für ihre zu erbringenden Leistungen garantiert, zeigt erschreckend deutlich die Willkür im Umgang mit der Lärmsanierung bei einer fehlenden Gesetzgebung. Selbst der Umgang mit den jährlich bereitgestellten Mitteln in Höhe von 100 Mill. für die Lärmsanierung an Schienenwegen ist völlig willkürlich: 

In keinem Jahr seit 1999 wurden die bereitgestellten Bundeshaushaltsmittel auch nur annähernd von der Bahn im vollem Umfang abgerufen. Lediglich die Aufwandsentschädigung in Höhe von mindestens 15%  wurde aber jeweils pünktlich seitens der Bahn eingefordert.


Inzwischen hat der Bundesverkehrsminister sich mit der Bahn geeinigt und die Bahn konnte  mitteilen, dass „das Programm gemäß den Regularien des Bundesverkehrsministeriums durch die DB Netz weiterhin fortgeführt wird“.

Zwei Konjunkturprogramme in Höhe von 1,3 Milliarden Euro zusätzlich für Bahnhöfe und Schienenwege und davon 100 Millionen zur Lärm- und Erschütterungsminderung hat der Bund mit dem Investitionsschwerpunkt Bundesschienenwege aufgelegt. Innovative Infrastrukturmaßnahmen wie z. B. verschäumte Schottergleise, niedrige Schallschutzwände, hochleistungsfähiges Schienenschleifen, Schienenstegbedämpfer, Brückenabsorber sollen erprobt und künftig den passgenauen Einsatz an der Emissionsquelle ermöglichen. Diese Maßnahmen dienen in erster Linie der Konjunktur - nicht den Anliegern an Schienenwegen. An hoch belasteten Güterzugstrecken – wie im Rheintal - zeigen derartige Maßnahmen keine bis geringe Wirkung. Die Maßnahmen werden aber dazu dienen, möglicherweise fragwürdige Boni in die Lärmberechnungen einzubeziehen, wodurch eine scheinbare Lärmreduzierung erzielt wird. Machen wir uns nichts vor: Es geht nicht wirklich um Lärmminderung. Die kosmetischen Bemühungen an alten Strecken dienen lediglich als effektive Mittel zur Erhöhung ihrer Kapazität. Je mehr der Lärm durch innovative Maßnahmen angeblich reduziert werden kann, umso mehr Güterzüge können auf den grenzüberschreitenden Trassen eingesetzt werden. Kapazitätsengpässe sieht der Bundesverkehrsminister in dem „hochgradig schutzwürdigen Rheintal“ nicht. Ergebnisse der Überprüfung des Bedarfsplanes für die Bundesschienenwege liegen bis 2010 vor. Dann seien Aussagen möglich, „ob im Jahr 2025 mit Kapazitätsengpässen im Mittelrheintal  zu rechnen sein wird“. Auf den zunehmenden Güterverkehr reagiert der Verkehrsminister mit seinem Projekt „leiser Rhein“. Dieses Projekt sieht vor, 5.000 der rd 135 000 Güterwaggons deutscher Bahnunternehmen kurzfristig  auf K-/LL- Sohlen umzurüsten und überwiegend auf der Rheintalstrecke zum Einsatz zu bringen. 5000 umgerüstete Güterwaggons – jeweils zu Güterzügen zusammengekoppelt - sollen kurzfristig und bevorzugt auf einer bestimmten grenzüberschreitenden vierspurig ausgebauten Trasse eingesetzt werden und den Schienenlärm wesentlich reduzieren? Vielleicht ist die Frage falsch gestellt? Verdammt sei der, der Böses dabei denkt. 100 000 Einwendungen liegen bisher gegen den Ausbau der Alpentransversale vor. Entlang der Trasse haben sich die Betroffenen längst zusammengeschlossen. Sie wehren sich mit allen Mitteln gegen eine unglaubwürdige Lärmschutzpolitik von Bahn und Regierung – gleichgültig, ob es sich dabei um Lärmvorsorge oder Lärmsanierung handelt. „Was wir tun ist vielleicht nicht legal, aber auf jeden Fall egitim.“

Der schweizerische Verkehrsminister kann sich mit Recht Sorgen machen um den zügigen Ausbau der Alpentransversale in Deutschland. Lärmsanierungmaßnahmen sind in Deutschland rein willkürliche Maßnahmen. Der Gesetgeber nennt es  freiwillige Maßnahmen.

Ein Lärmsanierungsgesetz ist längst überfällig.

 

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