Vorschläge zur Verbesserung des Schutzes vor Straßen- und Schienenverkehrslärm in Deutschland

Lücken und Mängel im gegenwärtigen Regelwerk

In Deutschland fühlen sich nach der Online-Umfrage 2011 des Umweltbundesamtes durch Straßenverkehrslärm rund 59% der Einwohner und durch Schienenverkehrslärm rund 21% der Einwohner mittelmäßig bis sehr stark belästigt [15]. Trotzdem sind in Deutschland wegen der beim Bau der Landverkehrswege auf die öffentliche Hand zukommenden Kosten keine durchgängig lärmwirkungsgerechten Regelungen zum Schutz vor Straßen- und Schienenverkehrslärm festgelegt. Vielmehr sind sie nur als mangelhaft zu bewerten. Aus Sicht der Lärmbetroffenen sind sie - abgesehen von der nicht vorgeschriebenen Gesamtlärmbetrachtung - deshalb unbefriedigend, weil in bestimmten Fällen gleich hohe Lärmeinwirkungen zu unterschiedlichen Schallschutzansprüchen führen. Eine Bereitschaft der Politik, das Verursacherprinzip zur Finanzierung des Lärmschutzes beim Bau von Verkehrswegen und bei der Lärmsanierung zur Geltung zu bringen, ist bisher nicht erkennbar.

Die Hauptkritikpunkte sind folgende:

  • Seit 1974 fehlt die Rechtsverordnung nach § 38 Abs. 2 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) [2] für die Emissionsbegrenzung von Straßen-Kraftfahrzeugen, von Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeugen. Emissionsgrenzwerte für Kraftfahrzeuge und Schienenfahrzeuge des Fernverkehrs wurden im Lauf der Jahre durch EU-Richtlinien vorgegeben, die durch Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung in deutsches Recht umgesetzt worden sind. Für Fahrzeuge des Schienennahverkehrs fehlen bis heute Emissionsvorschriften. Deshalb haben die Betreiber und Hersteller weitgehend Entscheidungsfreiheit darüber, wie hoch sie die Schallemissionen neuer Schienenfahrzeuge festlegen wollen. Die Folge sind z.B. die tonhaltigen Quietschgeräusche beim Bremsen und Anfahren bestimmter neuer Triebwagenzüge, verursacht durch schallschutztechnisch nicht optimierte Stromrichter [9]. Allerdings müssen die Verkehrsunternehmen schon heute nach § 38 Abs. 1 Satz 2 beim Betrieb von Schienenfahrzeugen vermeidbare Emissionen verhindern und unvermeidbare Emissionen auf ein Mindestmaß beschränken. Diese Vorschrift ist jedoch schwer quantifizierbar und deshalb rechtlich kaum einzufordern.
  • Bis heute gibt es keinen gesetzlich festgelegten Anspruch auf Lärmsanierung an lauten Straßen und Schienenwegen. Jahrzehnte lang haben die jeweils in der Opposition stehenden Parteien regelmäßig die Lärmsanierung für laute Bahnstrecken gefordert.. Diese wurde ebenso regelmäßig von der jeweiligen Regierungskoalition abgelehnt – streng genommen ein Trauerspiel. Bis heute gibt es keinen gesetzlich festgelegten Anspruch auf Lärmsanierung an lauten Straßen und Schienenwegen. Als teilweiser Ersatz dienen Lärmsanierungsprogramme, und zwar seit 1976 für Bundesfernstraßen und erst seit 1999 auch für Eisenbahnstrecken des Bundes, d.h. der Deutschen Bahn AG. Lärmsanierungsmaßnahmen werden allerdings nur verwirklicht, soweit Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Einzelheiten der Lärmsanierung sind für die Bundesfernstraße in [5], für Strecken der Deutschen Bahn AG in [6] geregelt, in letzterer Regelung allerdings mit zu geringem Standard. Für die übrigen Verkehrswege gibt es keine bundeseinheitlichen Regelungen zur Lärmsanierung. Die Haushaltsmittel für die Lärmsanierung sind deutlich zu gering bemessen. Auch ist bei der Lärmsanierung der Eisenbahnstrecken der Grundsatz, dass aktive Schallschutzmaßnahmen (z.B. Wände) Vorrang vor passiven Maßnahmen (z.B. Lärmschutzfenster) haben, nicht festgelegt. Dieser Grundsatz gilt bisher auf Grund von § 41 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG [2] nur für die Lärmvorsorge von Landverkehrswegen sowie bei der Lärmsanierung von Bundesfernstraßen seit 2006.
  • Die fehlende Verpflichtung zu einer Gesamt-Beurteilungspegel-Betrachtung für die Verkehrsgeräusche führt zu nicht wirkungsgerechten Regelungen beim Verkehrslärmschutz. Bei der Ermittlung des öffentlich-rechtlichen Anspruches auf Schutzmaßnahmen vor Verkehrslärm (gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 und § 41 BImSchG ) müssen in Verbindung mit der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) [3]) nach der herrschenden Rechtsauffassung nur die Teilbeurteilungspegel der neu zu bauenden oder umzubauenden Verkehrswege einbezogen werden. Das bedeutet, dass i.d.R. keine Beurteilung aus allen einwirkenden Verkehrsgeräuschen vorgenommen wird, obwohl nur dadurch "schädliche Umwelteinwirkungen" im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG zu erkennen und zu beseitigen sind. Auch kann die formaljuristisch eingeschränkte Betrachtung nicht das Risiko vermeiden, dass im Hinblick auf eine Gesamtlärmminderung wenig wirksame und damit unwirtschaftliche Schallschutzmaßnahmen verwirklicht werden; denn die Nichtberücksichtigung aller immissionswirksamen Teilbeurteilungspegel der einwirkenden Straßen und Bahnen kann gerade bei aufwändigen Schallschutzmaßnahmen zu Fehlinvestitionen führen, wenn z.B. ein lauter (pegelbestimmender) Hauptverkehrsweg nur deshalb unberücksichtigt bleibt, weil ein erheblicher baulicher Eingriff in ihn unterbleibt. Die enge Gesetzesauslegung durch Planfeststellungsbehörden und Verwaltungsgerichte kann daher zum Teil nicht der aus lärmschutzfachlicher Sicht richtigen Forderung von § 41 Abs. 2 BImSchG genügen, wonach die Kosten einer Schutzmaßnahme nicht außer Verhältnis zum Schutzzweck stehen sollen. Für dieses Teilproblem hat der Bundesrat in seiner Entschließung zur 24. BImSchV schon 1996 die Bundesregierung aufgefordert, die Rechtslage zu verbessern - bis jetzt leider vergeblich.
  • Die sog. wesentliche Änderung ist in allen Fällen, in denen nicht durchgehend neue Fahrstreifen und Gleise an einen bestehenden Verkehrsweg angebaut werden, ebenfalls keine lärmwirkungsgerechte Regelung. Sie ist derzeit Voraussetzung für Schallschutzmaßnahmen an bestehenden Verkehrswegen, die durch erheblichen baulichen Eingriff verändert werden sollen [§ 1 Abs. 2 Nr. 2 der 16. BImSchV]. Bei dieser Regelung, die den verpflichtenden Einstieg in die Lärmsanierung möglichst vermeiden wollte, kommt es nur bedingt auf die absolute Höhe der Beurteilungspegel nach dem Umbau an, jedoch unabdingbar auf eine Mindestpegelerhöhung, die je nach Höhe der künftigen Beurteilungspegel zwischen 2,1 und 0,1 dB(A) liegen muss. Bei Beurteilungspegeln in eigentumsrechtlich kritischer Höhe muss die Pegelerhöhung mindestens 0,1 dB(A) betragen.

Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Schallschutz an Verkehrswegen mit erheblichem baulichen Eingriff sollten möglichst bald geändert werden. Es kommt nämlich in den Übergangsbereichen zwischen Neubau und erheblichem baulichen Eingriff einerseits sowie zwischen erheblichem baulichem Eingriff und unverändertem Verkehrsweg andererseits immer wieder zu ungerechten Regelungen, wenn zwei gleich beschallte Immissionsorte unterschiedliche Schallschutzansprüche zugestanden bekommen. Noch weniger sinnvoll ist es, wenn z.B. Gebäude auf einer Seite des Verkehrsweges einen Schallschutzanspruch zugebilligt bekommen, weil sich der Nacht-Beurteilungspegel von 60,0 auf 60,1 dB(A) erhöht, während die Gebäude auf der anderen Seite des Verkehrsweges leer ausgehen, wenn dort ein deutlich höherer Pegel gleich bleibt oder sich verringert. Welchem Bürger können die zuständigen Beamten diese Regeln nahe bringen, die nur aus dem Willen entstanden sind, beim Schallschutz zu sparen? Die Lärmbetroffenen empfinden es als ungerecht, dass gleich hohe Lärmeinwirkungen hinsichtlich des Anspruches auf Schallschutzmaßnahmen nicht gleich behandelt werden, da die Rechtsansprüche auf Lärmschutz bei Neubauabschnitten, Umbauabschnitten und unveränderten Abschnitten ganz unterschiedlich geregelt sind. Hier kann nur auf den Gesetzgeber verwiesen werden.

  • Pegelhöhungen infolge betrieblicher Änderungen führen zu keinem Schallschutzanspruch. Betriebliche Änderungen sind z.B. die Erhöhung der Fahrzeug- und Zugzahlen infolge von Dauerumleitungen.
  • Die Regelungen der 24. BImSchV [4] für den sog. passiven Schallschutz, d.h. für die Entschädigung für Schallschutzmaßnahmen am Gebäude, sind ebenfalls mangelhaft. Der Bemessung des passiven Schallschutzes werden üblicherweise nur die nach den Vorgaben der 16. BImSchV berechneten (Teil-)Beurteilungspegel zu Grunde gelegt, d.h. die Schallimmissionen aus einwirkenden unveränderten Verkehrswegen werden vernachlässigt. Die tatsächliche Lärmbelastung wird daher vielfach nicht berücksichtigt, was im Hinblick auf eine ausreichende Würdigung der Lärmwirkungen bedenklich ist. Damit zeigt die 24. BImSchV [4] deutlich, dass bei ihrer Erarbeitung weniger Lärmschutzgründe als Spargesichtspunkte eine Rolle gespielt haben. Dies hat zur Folge, dass man unter Ansatz der niedrigen Anhaltswerte nach VDI 2719 [8] für Innenräume eine Schallschutzklasse mehr ermitteln würde, unter Ansatz von Gesamtbeurteilungspegeln u.U. mehr als eine Schallschutzklasse, verglichen mit dem Verfahren der 24. BImSchV. Falls die Gesamtbeurteilungspegel bei der Ermittlung der Schallschutzfensterklasse unberücksichtigt bleiben, ist es aus Kulanzgründen erforderlich, die anspruchsberechtigten Hauseigentümer im Laufe des Planfeststellungsverfahrens, spätestens aber bei der Ermittlung vor Ort, darauf hinzuweisen, daß die nach 24. BImSchV ermittelte Fensterklasse nicht ausreichend gegen den Gesamtlärm schützt und dass man ihnen daher empfiehlt, unter Selbstbeteiligung von 100 - 150,- € je Fenster und Schallschutzklassenstufe solche Fenster einzubauen, die eine um 1 - 2 Stufen höhere Schallschutzklasse besitzen als man sie bei restriktiver Auslegung der 24. BImSchV ermittelt. Nur für Teilbeurteilungspegel bemessene Schallschutzfenster sind im Übrigen unwirtschaftlich im Sinne von § 41 Abs. 2 BImSchG und können sogar zwecklos sein.

Beurteilung des derzeitigen Regelwerks

  • Letztlich führt die Absicht, beim Lärmschutz Kosten zu sparen, zu spitzfindigen und für die Lärmbetroffenen schwer verständlichen Regelungen mit weitem Ermessensspielraum und unwirtschaftlichem bürokratischen Aufwand. Trotz der knappen Haushaltsmittel wäre es im Hinblick auf den nach Art. 3 Grundgesetz (GG) zu beachtenden Gleichheitsgrundsatz Aufgabe von Bundestag und Bundesregierung, den Verkehrslärmschutz mit dem Ziel einer sinnvollen und gerechten Regelung neu zu gestalten. Hier sei auch auf die Aussage des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen hingewiesen, der in [11] u.a. feststellt, dass es auf die Dauer nicht akzeptabel ist, die Lärmsanierung fast völlig von fiskalischen Gesichtspunkten abhängig zu machen. Es ist den Lärmbetroffenen nicht zu vermitteln, dass trotz der von Kennern der Materie vorgebrachten Kritik seit über vierzig Jahren der Bundestag keine sinnvolle und gerechte Lösung des Verkehrslärmproblems auf den Weg bringen will. Zur gegenwärtigen deutschen Regelung des Verkehrslärmschutzen seien hier noch einige kritische Kommentare der Professoren Koch, Schulte und Schulze-Fielitz sowie von Dr. Ulrich Storost, Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht, jetzt im Ruhestand, wiedergegeben:
  • Koch: "Als umweltrechtliches Glanzlicht kann dieses Regelwerk (Anm.: die 16. BImSchV) allerdings nicht eingestuft werden. Insbesondere wird die hochgradig segmentierte Betrachtungsweise der Lärmimmissionen dem akzeptorbezogenen Ansatz des BImSchG nicht gerecht. ... Nicht einmal Vorbelastungen durch anderweitigen Straßenverkehr sollen nach der 16. BImSchV berücksichtigt werden, geschweige denn andere Vorbelastungen. ...Besonders auffallend und kritikwürdig ist der Umstand, daß es bis heute nahezu keine Regelungen für den Lärmschutz an der Quelle gibt (Anm.: für die Schienenbahnen) [10].
  • Schulte: "Es hat sich gezeigt, dass normative Regelungen im Schienenverkehrslärmrecht jedenfalls nicht in einem Maße vorhanden sind, welches es berechtigt erscheinen lassen würde, von einem klaren und umfassenden Eingriffs- und Handlungsinstrumentarium zu sprechen" [12].
  • Schulze-Fielitz: "Die Regeln des Verkehrsimmissionsschutzrechtes sind nur scheinbar eindeutig; sie lassen ... oft Spielräume, die den Lärmschutz schon wegen seiner fiskalischen Folgen relativieren können. ... Unter den Bedingungen knapper öffentlicher Mittel gerät die Grenze des § 41 Abs. 2 BImSchG, nach der die Kosten für Schallschutzmaßnahmen nicht außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen dürfen, in einen aktuellen juristischen Auslegungsstreit. ... Wie realitätsfern darf die normative Ausgestaltung des Verkehrslärmschutzes sein, ohne dass sie als eine bloß symbolische Umweltpolitik erscheint" [13]. Die in § 41 Abs. 2 BImSchG enthaltene abstrakte Forderung der Kostenverhältnismäßigkeit ist in [19] lärmschutzfachlich erläutert.
  • Für Storost liegt "ein kaum noch erträgliches Maß an gesetzgeberischer Entscheidungsabstinenz, d.h. für ein verfassungsrechtlich bedenkliches Defizit an Funktionswilligkeit des Parlaments" [14] vor.

Vorschläge für eine sinnvolle und gerechte Regelung des Schutzes vor Straßen- und Schienenverkehrslärm

Erforderliche Ergänzung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

Die o.g. Mängel und Lücken im derzeitigen Regelwerk ließen sich durch eine lärmwirkungsgerechte Ergänzung des BImSchG oder - deutlich besser - durch die Schaffung eines Umweltgesetzbuches beseitigen. In § 2 Abs. 1 Nr. 4  BImSchG   müßte der Betrieb berücksichtigt werden, ebenso ist eine Änderung von § 41 BImSchG erforderlich, um die Schallimissionen aus bestehenden Verkehrswegen berücksichtigen zu können und den Gesichtspunkt der Kostenverhältnismäßigkeit sinnvoll zu regeln. Nur dadurch wäre auch der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gleich hoch Betroffener zu berücksichtigen. Da die Lärmminderung an der Quelle Vorrang vor der Lärmminderung auf dem Ausbreitungsweg oder am Immissionsort haben muss, sind die Schallemissionen aller Schienenfahrzeuge unter Beachtung der Vorgaben der Europäischen Union für sog. interoperable (zwischenstaatlich einsetzbare) Schienenfahrzeuge durch eine Rechtsverordnung zu begrenzen. Diese ist ggf. nach dem Stand der Technik fortzuschreiben.

Nur die Gesamtpegelbetrachtung aller einwirkenden Verkehrswege wäre lärmwirkungsgerecht. Diese Regelung müsste mit einem praktikablen Verfahren verbunden sein, nach dem die Kosten unter den verschiedenen Verkehrsträgern aufzuteilen wären. Ansätze zu einer sinnvollen Kostenaufteilung bei einer Gesamtlärmbetrachtung enthielt die bayerische Bekanntmachung "Verkehrslärmschutz im Straßenbau" vom 20.12.1982 [17], die im Juni 1990 durch die 16. BImSchV abgelöst worden ist. Zur Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen bei bestehenden Verkehrswegen sind natürlich Stufenpläne erforderlich, die gemäß dem Verursacherprinzip ganz oder mindestens teilweise aus dem Mineralölsteueraufkommen sowie aus den Fahr- und Trassenpreisen finanziert werden könnten.

 

Umweltgesetzbuch als Alternative

Über 20 Jahre lang wurde die von der Sache her erforderliche Zusammenführung der verschiedenen Umweltschutzregelungen in einem Umweltgesetzbuch verfolgt. Dessen Ausarbeitung wurde 1992 begonnen. Es sollte die verwirrende und doch lückenhafte Vielfalt der deutschen Umweltgesetzgebung übersichtlich regeln. Im Juli 1997 lag der Kommissionsentwurf des Umweltgesetzbuches [7] vor. Unter anderem waren in ihm in § 437 aus Immissionsschutzgründen nicht nur Verkehrsbeschränkungen, sondern auch die nachträgliche Anordnung von baulichen Maßnahmen vorgesehen. Aus politischen Gründen wurde es erst im Koalitionsvertrag des Jahres 2005 wieder weiterverfolgt. Jedoch scheiterte dieses für Bürger und Industrie wichtige Vorhaben im Jahre 2009 nach Einwendungen der Bayerischen Staatsregierung [20].

Vorschläge des Verkehrsclubs Deutschland aus dem Jahr 2003

Im Jahr 2002 hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD) e.V. die Initiative zur Verbesserung der Rechtslage zum Schutz vor Straßen-, Schienen- und Flugverkehr ergriffen. Mit Förderung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Umweltbundesamtes hat der VCD unter Beteiligung von Lärmschutzfachleuten aus Wirtschaft und Verwaltung in 7 Veranstaltungen die Ausgangslage und ihre Mängel aufgezeigt sowie erforderliche Schritte zur Verbesserung vorgeschlagen. Sie sind in der Broschüre "Maßnahmen gegen Verkehrslärm" [16] veröffentlicht. In ihr sind allein für den Bereich Straßen- und Schienenverkehrslärm nach einer Defizitanalyse über 60 Maßnahmen zur Verbesserung der derzeitigen Regelungen vorgeschlagen. Aus der damaligen Regierungskoalition von SPD und Grünen hieß es dazu auf der Abschlussveranstaltung am 16.01.2004 in Berlin allerdings, dass vorläufig nur an eine Änderung des Fluglärmgesetzes gedacht sei. Diese Novellierung trat am 07.06.2007 in Kraft.

Ergänzung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes

Ein weiteres Defizit bei den Regelungen für Baumaßnahmen an Schienenstrecken müsste ebenfalls beseitigt werden. Bisher sind nur an Straßen außerhalb von Ortsdurchfahrten in den einschlägigen Straßengesetzen sog. Anbauverbotszonen festgelegt. In einem je nach Straßenart unterschiedlich breiten Streifen neben der Straße, z.B. an Bundesautobahnen 40 m und an Bundesstraßen 20 m.

Nach § 9 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) dürfen Hochbauten im Nahbereich neben der Autobahn nicht errichtet werden. Würde es in [18] eine vergleichbare Regelung auch für Schienenstrecken wenigstens außerhalb geschlossener Ortschaften geben, ließen sich neue Baugebiete mit Immissionsorten verhindern, die von vornherein eine zu hohe Lärmbelastung aufweisen; denn die Gemeinden berücksichtigen in Wahrnehmung ihrer Planungshoheit bei der Bauleitplanung die Schallemissionen stark belasteter Verkehrswege i.d.R. zu wenig. Die Anbauverbotszone an Eisenbahnlinien sollte 40 m zwischen der Achse des nächsten Gleises und dem Immissionsort betragen. Damit wären i.d.R. auch Immissionen von Erschütterungen und sekundärem Luftschall zu vermeiden. Zu hohe Belastungen in vorhandenen Gebäuden lassen sich nur durch Sanierungsmaßnahmen entweder am Verkehrsweg oder am Gebäude vermindern, in neu zu errichtenden Baugebieten müssen sie nicht auftreten, wenn die fachlich erforderliche Anbauverbotszone eingehalten wird.

Wolfgang Hendlmeier Stand: Dezember 2016

Literatur:

  1. Bundesfernstraßengesetz - FStrG vom 6.6.1953, neugefaßt durch Bek. v. 28.06.2007 BGBl I S. 1206.
  2. Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG vom 15. März 1974, neugefaßt durch Bek. v. 26. 9.2002 BGBl I 3830, zuletzt geändert durch Art. 1 Ges. vom 25.06.2005 BGBl I S. 1865.
  3. Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV vom 12.06.1990, BGBl I S. 1036.
  4. Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung - 24. BImSchV vom 04.02.1997, BGBl I S. 172.
  5. Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes - VLärmSchR 97, in: "Verkehrsblatt" 1997 S. 434, geändert durch Rundschreiben Nr. 20/2006, Verkehrsblatt 16/2006 S. 665.
  6. Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes vom 07.03.2005, in "Verkehrsblatt" 2005 S. 176.
  7. Umweltgesetzbuch (Entwurf vom Juli 1997) - UGB-KomE.
  8. VDI-Richtlinie 2719 "Schalldämmung von Fenstern und deren Zusatzeinrichtungen", Ausg. August 1987.
  9. Groß, K.: Heuler und Quietschenten, in "Der Fahrgast" 2/2002 S. .41.
  10. Koch H.-J.: Fünfzig Jahre Lärmschutzrecht, in "Zeitschrift für Lärmbekämpfung" 6/2000 S. 235.
  11. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: "Sondergutachten Umwelt und Gesundheit", 31.08.1999.
  12. Schulte, M: Schienenverkehrslärm, in "Zeitschrift für Umweltrecht" 3/2002 S. 195.
  13. Schulze-Fielitz, H.: Der Straßenverkehrslärm und das Umweltrecht, in "Zeitschrift für Umweltrecht" 3/2002 S. 190.
  14. Storost, U.: Das deutsche Verkehrslärmschutzrecht aus Sicht eines Richters, in "Zeitschrift für Lärmbekämpfung" 3/2004 S. 93.
  15. Umweltbundesamt: : Auswertung der Online-Lärmumfrage des Umweltbundesamtes (14.04.2011): www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3974.pdf
  16. [16] Verkehrsclub Deutschland - VCD e.V.: "Maßnahmen gegen Verkehrslärm - Politische Handlungsansätze für eine leise Zukunft", herausgeg. vom VCD, Kochstr. 27, 10969 Berlin, 2003.
  17. Verkehrslärmschutz im Straßenbau, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20.12.1982, in Ministerialamtsblatt MABl Nr. 2/1983 S. 58.
  18. Allgemeines Eisenbahngesetz vom 27.12.1993, mehrfach geändert.
  19. Studie zur Kostenverhältnismäßigkeit von Schallschutzmaßnahmen – Grundsätze für die Prüfung nach § 41 Abs. 2 Bundes-Immissionsschutzgesetz (Projektleitung und Teilbearbeitung: Wolfgang Hendlmeier), Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, Augsburg 2005; 6,00 €; Bestellung über www.lfu.bayern.de/publikationen/index.htm
  20. Zur Geschichte des gescheiterten Umweltgesetzbuches: de.wikipedia.org/wiki/Umweltgesetzbuch

 

 

 

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